Juniorprofessur Molekulare Thermodynamik

Die molekulare Thermodynamik stellt die Brücke zwischen molekularen Wechselwirkungen und makroskopischem Stoffverhalten dar. Die Methoden der molekularen Thermodynamik zeichnen sich dabei durch ihre besonders hohe Vorhersagefähigkeit aus, d.h. dass mit molekularen Modellen (im Gegensatz zu empirischen Modellen) oft zuverlässige und robuste Vorhersagen von Stoffeigenschaften und Zustandsbereichen vorgenommen werden können, welche nicht in der Modellentwicklung berücksichtigt wurden. Die molekulare Thermodynamik verknüpft dabei aufs Engste den Bereich Computational Engineering mit der Physik und Chemie. Diese Verbindung wird im Zuge der Digitalisierung noch weiter verstärkt.

An der Juniorprofessur Molekulare Thermodynamik werden zum einen Methoden und Werkzeuge der molekularen Thermodynamik entwickelt und zum anderen werden diese Methoden und Werkzeuge in ingenieurwissenschaftlichen Anwendungen eingesetzt.

Im Bereich der Methoden und Werkzeugentwicklung stehen open source Softwareentwicklungen für die molekulare Simulation klassischer Kraftfelder als auch molekular-basierte Zustandsgleichungen im Zentrum. Dies wird ergänzt durch das Forschungsfeld Daten (Datenontologien, Datenbanken und Datenassessment) mit Bezug zur molekularen Thermodynamik. Eingesetzt wird die molekulare Thermodynamik in verschiedenen ingenieurwissenschaftlichen Anwendungsbereichen, wie der Tribologie und der Fluidverfahrenstechnik.
 

 

 

 

 

Juniorprofessur Molekulare Thermodynamik
JP Dr.-Ing. Dr. rer. nat. Simon Stephan

Forschungsthemen

  • Entwicklung von Simulationsmethoden und Algorithmen.
  • Werkzeugentwicklung in der molekularen Thermodynamik: Entwicklung von Modellierungs- und Simulationssoftware.
  • Anwendung der molekularen Thermodynamik zur Vorhersage von Grenzflächeneigenschaften.
  • Anwendung der molekularen Thermodynamik in der Tribologie.
  • Untersuchung der Reproduzierbarkeit von Computerexperimenten.

Ausgewählte Projekte

Entwicklung von Simulationsmethoden und Algorithmen

Die molekulare Simulation hat zwei Haupt-Einsatzgebiete: (i) die Vorhersage von makroskopischen Stoffdaten, z.B. für die Verfahrenstechnik und (ii) die Modellierung von Prozessen, insbesondere auf der Nanoskala. Die Arbeitsgruppe ‚Molekulare Thermodynamik‘ beschäftigt sich mit der Entwicklung von Simulationsmethoden und Algorithmen in beiden Gebieten. In der Arbeitsgruppe werden  z.B. neue Simulationsmethoden entwickelt, um den Stofftransport in fluiden Gemischen untersuchen zu können mit dem Ziel, makroskopische Modellierungsansätze schärfen zu können. Ein weiteres Projekt befasst sich mit der Entwicklung einer Simulationsmethode für die Vorhersage des Verhaltens von SARS-CoV-2 Viren in verschiedenen Situationen und Systemen. Ein weiteres Arbeitsgebiet beschäftigt sich mit der Entwicklung von Algorithmen für den Einsatz von Methoden des maschinellen Lernens in molekularen Simulationen. Ferner werden skalenübergreifende Simulationsmethoden entwickelt um z.B. molekular-basierte Zustandsgleichungen in makroskopischen Modellen (z.B. Phasenfeld oder CFD) einsetzen zu können.
 

Entwicklung von Werkzeugen

Die Methoden und Modelle der molekularen Thermodynamik basieren auf computergestützten Berechnungen. Hierzu werden leistungsfähige Programme und Werkzeuge benötigt, welche auf der einen Seite einen hohen Grad an Effizienz aufweisen müssen und auf der anderen Seite dem Nutzer gut zugänglich sind. Hieraus ergeben sich erhebliche Herausforderungen. In der Arbeitsgruppe ‚Molekulare Thermodynamik‘ werden verschiedene Simulationswerkzeuge für molekulare Simulationen als auch molekular-basierte Zustandsgleichungen entwickelt: Das Programm ms2 (Molekulardynamik und Monte Carlo Simulationen) wird in Kooperation mit verschiedenen Arbeitsgruppen entwickelt und stellt im Bereich des wissenschaftlichen Rechnens der molekularen Simulation den aktuellen Stand der Technik dar. Ferner werden für molekulare Simulationen Kraftfeldmodelle benötigt, welche das eigentliche molekulare Modell eines bestimmten Stoffes darstellen. Diese Modelle weisen einen hohen Komplexitätsgrad auf. In der Arbeitsgruppe wird hierzu die MolMod Datenbank entwickelt, welche eine Vielzahl von Kraftfeldmodellen für mehrere Simulationsprogramme (u.a. ms2) bereitstellt. Im Bereich molekular-basierte Zustandsgleichungen wird in der Arbeitsgruppe das Programm MicTherm entwickelt, welches molekular-basierte Zustandsgleichungen in einem Baukastenprinzip für verschiedene Anwendungszwecke bereitstellt, z.B. der Fluidverfahrenstechnik, der Strömungsmechanik und der Tribologie.

Modellierung und Simulation von Grenzflächeneigenschaften

In makroskopischen Modellen wird die Grenzfläche zwischen zwei Phasen meist als zweidimensionale Grenze betrachtet, an der sich die thermodynamischen Eigenschaften diskontinuierlich ändern. Auf atomistischer Ebene sind solche Interfaces jedoch dreidimensionale Objekte, bei denen die thermodynamischen Eigenschaften einen stetigen Verlauf zwischen den Bulkphasen aufweisen.  Da Interfaces i.d.R. sehr dünn (ca. 10-9 m) sind, liegen hier oft große Druck-, Dichte- und Zusammensetzungsgradienten vor, welche das makroskopische Verhalten des Systems beeinflussen.
In der Arbeitsgruppe ‚Molekulare Thermodynamik‘ werden Interfaces zwischen unterschiedlichen Phasenpaarungen untersucht, z.B. flüssig-dampf und flüssig-fest. Dabei werden Phänomene wie die Benetzung und Adsorption betrachtet als auch Transportprozesse an und durch Interfaces untersucht. Der Fokus liegt dabei auf dem Verständnis der grundlegenden Mechanismen von Grenzflächeneigenschaften und Phänomenen wie dem Zusammenhang aus Phasenverhalten, Grenzflächeneigenschaften und molekularen Wechselwirkungen.

Anwendung der molekularen Thermodynamik in der Tribologie

In vielen Bereichen des Maschinenbaus treten geschmierte Kontakte auf, z.B. in der Fertigungstechnik und der Getriebetechnik. In diesen Kontaktstellen liegen oft extreme Temperaturen und Drücke vor. Hierbei spielen sowohl Grenzflächeneigenschaften wie das Benetzungsverhalten als auch Bulkphaseneigenschaften wie die Viskosität und die Gaslöslichkeit eine entscheidende Rolle. In der Arbeitsgruppe ‚Molekulare Thermodynamik‘ werden Molekulardynamik Simulationen als auch molekular-basierte Zustandsgleichungen eingesetzt um das Fluidverhalten in Tribosystemen zuverlässig modellieren zu können. Zum einen werden geschmierte Kontaktprozesse mittels Molekulardynamik Simulationen untersucht um ein besseres Verständnis über Dissipations- und Transportvorgänge in tribologischen Kontakten zu erlangen. Zum anderen wird das Extrapolationsverhalten molekular-basierter Zustandsgleichungen untersucht um neue Ansätze für besonders robuste Zustandsgleichungen entwickeln zu können.

Reproduzierbarkeit von Computerexperimenten

Die Reproduzierbarkeit und damit die Zuverlässigkeit einer wissenschaftlichen Methode ist von grundlegender Bedeutung. Wie bei Laborexperimenten treten auch bei Computerexperimenten systematische und statistische Unsicherheiten auf. Ihre Gesamtheit kann als untere Grenze für die Genauigkeit und Reproduzierbarkeit der Ergebnisse angesehen werden. Dennoch werden in praktisch allen Anwendungen molekularer Simulationen nur statistische Unsicherheiten berücksichtigt und angegeben. In der Arbeitsgruppe ‚Molekulare Thermodynamik‘ werden systematische Unsicherheiten von molekularen Simulationen untersucht. Hierzu werden sowohl einfach Modellsysteme als auch reale Stoffsysteme betrachtet. In ersten Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass schon in einfachen Systemen die systematischen Unsicherheiten die statistischen Unsicherheiten deutlich übersteigen können. Es wird untersucht, welche Einflussfaktoren systematische Unsicherheiten aufweisen und wie diese verringert werden können. Ferner wird die Reproduzierbarkeit von Ergebnissen und Befunden in hoch-instationären Systemen untersucht, welche von extremen Gradienten dominiert werden, wie sie z.B. in der Nanotribologie vorliegen.