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Dr.-Ing. Mark W. Hlawitschka
Reaktive Blasensäulen
Blasensäulen werden in der chemischen, petrochemischen, biochemischen und Metallindustrie eingesetzt. Durch die Dezentralisierung der Stromnetze gewinnen zudem Power-To-Gas Ansätze an Bedeutung. Zum Beispiel wird bei der Methanisierung aus Wasserstoff (H2), welches durch Elektrolyse gewonnen wird, und Kohlenstoffdioxid (CO2) bzw. Kohlenstoffmonoxid (CO) synthetisches Methan (CH4) erzeugt. Dabei kommt ein Dreiphasensystem in einer Blasensäule zum Einsatz. Die beiden Edukte liegen gasförmig und der Katalysator in fester Form vor. Zusätzlich wird ein flüssiges Wärmeträgermedium verwendet. Für die Einspeisung des Gases sind jedoch bestimmte Qualitätsanforderungen zu gewährleisten. Insbesondere bei reaktiven Blasensäulen wird deren Effizienz durch die vorherrschende lokale Hydrodynamik mitbestimmt. Zur Steigerung der Ausbeute und Selektivität ist daher ein besseres Verständnis der lokalen Hydrodynamik in Blasensäulen erforderlich, wie sie die State-of-the-Art Auslegung basierend auf integralen Methoden nicht liefern kann.
Trotz der vielversprechenden Beschreibung der lokalen Hydrodynamik mittels CFD bleiben einige offene Fragestellungen, die zur prädiktiven Beschreibung reaktiver Blasensäulen gelöst werden müssen:
1. Einfluss der Blaseninteraktion (z. B. Bouncing).
2. Einfluss der Blasengrößenverteilung auf Hydrodynamik (mono-, polydispers).
3. Gegenseitige Wechselwirkung von Reaktion und Hydrodynamik (blaseninduzierte Turbulenz).
Blasendetektion
Die am Lehrstuhl vorhandene Messtechnik zur Bestimmung der dispersen Phase (Partikelgröße) wurde in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert und angewendet. Die dazu in der AG Bart entwickelten optischen Messsonden ermöglichen eine (nicht-invasive) Analyse der lokalen Tropfengrößenverteilung im Auf- sowie im Durchlicht. Die entsprechende Auswertesoftware, die während eines Kooperationsprojekts mit dem Fraunhofer ITWM entwickelt wurde, zeichnet sich durch eine hohe Verarbeitungsrate der Bilder aus (10 Bilder/s), wobei der Fehler kleiner 2% bei Partikelanteilen bis zu 10% liegt. Durch die Kombination der Bildauswertesoftware mit Leitfähigkeitsmessungen und der inversen Populationsbilanz können Änderungen im System vorhergesagt werden. Ebenso kann diese Kombination zur Detektion von Systemänderungen (Verunreinigungen) verwendet werden.
Die Sondenmesstechnik wurde in Vorversuchen zur Ermittlung von Blasengrößen in unterschiedlichen Systemen (Gas-wässrig, Gas-organisch) angewendet. Die Durchlichtsonde ermöglicht hierbei eine Vermessung der Blasen unabhängig von der Schärfetiefe bei einem relativen Fehler von 2-5%. Die maximale Dispersphasenkonzentration liegt aktuell bei 25%. Erste Aufnahmen an Blasenschwärmen sind in Abbildung 6 gezeigt. Mit steigender Gasphasenbelastung steigt der Holdup und somit die Anzahl an Blasen in der Messzone an. Die Blasen werden als als sphärische Partikel detektiert, wobei unvollständige Kreise am Bildrand werden durch die Auswertesoftware gefiltert. Eine erste Erweiterung des Messsystems zur Berücksichtigung ellipsoider Blasen wurde auf Basis des Bildanalysetools ImageJ bewerkstelligt.
Bouncing/Repulsion
Der Stoffaustausch in Blasensäulen wird neben der Großraumströmung durch lokale Phänomene beeinflusst. Hierzu gehört u.a. die Interaktion von Einzelblasen wie Blasenkoaleszenz sowie Blasenrepulsion. Um letztere näher zu untersuchen, wurde am Lehrstuhl eine Einzelblasenmesszelle aufgebaut, die es ermöglicht, die lokalen Phänomene, wie Stofftransport im Ausflussbereich zwischen den Blasen, mittels Hochgeschwindigkeitskamera näher zu untersuchen.
Stoffaustausch
Der Stofftransport an der Phasengrenzfläche und im Blasennachlauf wird neben der lokalen Hydrodynamik durch Blaseninteraktion (hydrodynamischer Stress) beeinflusst. Hierzu gehören unter anderem das Bouncing sowie die entstehende Blasendilatation und auch hydrodynamischer Stress bei Koaleszenz und Filmdrainage. Die am Lehrstuhl vorhandene Messzelle ermöglicht Untersuchungen an einer hängenden Blase sowie an frei aufsteigenden Blasen unter Aufwendung geringer Flüssigkeits- (<500 ml) und Gasmengen entsprechend der generierten Blasenanzahl unter inerten Bedingungen. Durch die Automatisierung der Testzelle wird eine hohe Reproduzierbarkeit der Messwerte erreicht.
Simulation
Zur Unterstützung der experimentellen Untersuchungen sowie zur Auslegungsunterstützung werden numerische Simulationen von Einzelblasen und Blasenschwärmen bis hin zu komplexen Kolonnen durchgeführt.
Zur Beschreibung der Blasenschwärme (>10 Blasen) werden numerische Simulationen auf Basis der interpenetrierenden Kontinua durchgeführt. Die Blasengröße wird hierbei durch ein Eingruppenmodell sowie Mehrgruppenmodelle berücksichtigt. Eine Erweiterung des Mehrphasenmodells zur Berücksichtigung der Reaktion sowie des Temperatur- und pH-Einflusses wird verfolgt.
Zudem dienen Einzelblasensimulationen zur Aufklärung der Blaseninteraktion (Bouncing, Schwarmverhalten) sowie deren Einfluss auf die Reaktion. Hierbei zeichnen sich v.a. gitterfreie Methoden aus, da eine Berücksichtigung der Phasengrenzfläche direkt über die Informationsträger erfolgt.
Stoffaustausch
Der Stoffaustausch zwischen den Blasen und dem umgebenden Medium wird durch das Gleichgewicht an der Phasengrenzfläche limitiert. Beispielhaft ist hierzu eine CFD Simulation der Absorption von O2 in Wasser dargestellt und mit experimentellen Daten von Cachaza et al. (2009) bei Vg=0,0024 m/s.
Experimentelle Ausstattung
Die Arbeitsgruppe verfügt über verschiedenste analytische Messtechnik (konfokales Ramanmikroskop, UV-VIS, FTIR, AAS, GC, HPLC, Zetasizer, etc.) sowie ein Probenroboter zur Charakterisierung (Gleichgewichte) von Stoffsystemen. Schnell ablaufende Prozesse können mit einer Hochgeschwindigkeitskamera untersucht werden. Zudem stehen verschiedene Glasschüsse zur Verwendung als Blasensäule von DN60 bis DN450 am Lehrstuhl zur Verfügung. Zur Hydrodynamikmesstechnik gehört u.a. ein 3D-PIV System, ein LIF System, LDA/PDA sowie eine Online-Analysesoftware mit Inlinemesssonden zur Vermessung der Blasengröße. Neben der Messtechnik steht der Rechencluster „Elwetrisch“ der TU Kaiserslautern für numerische Untersuchungen zur Verfügung.