Reaktivextraktion - Stoffaustausch
Dipl.-Ing. Martin Mörters
1. Problemstellung
Zur Auslegung von Apparaten für die Reaktivextraktion ist die Kenntnis des Stoffüberganges zwischen dispergierter und kontinuierlicher Phase, d.h. zwischen einem Tropfen und seiner Umgebung notwendig. Tropfengrößenverteilung, chemische Reaktion an der Phasengrenze und Strömungsbedingungen beeinflussen den Stoffübergang. Während bei kleineren starren Tropfen die Molekulardiffusion oder die chemische Reaktion limitierende Faktoren sind, beginnt bei größeren Tropfen die innere Zirkulation. Bei gut durchmischten großen Tropfen haben diffusive Effekte innerhalb der Tropfen keine Bedeutung. Grenzflächenaktive Substanzen wie z. B. Ionentauscher beeinflussen zusätzlich die innere Zirkulation und somit den Stoffübergang.
Experimentelle Arbeiten, bei denen in Tropfensäule oder Venturirohr Gesamtkonzentrationen im Tropfen gemessen wurden, liegen für eine Reihe von physikalischen sowie reaktiven Stoffsystemen vor. Innerhalb der letzten Jahre wurden weiterhin Arbeiten veröffentlicht, in denen mittels optischer Meßverfahren wie holographische Interferometrie, Regenbogenrefraktometrie und Schlierenoptik in physikalischen Extraktionssystemen Konzentrationsgradienten in Grenzflächennähe gemessen wurden.
Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung des reaktiven Stoffübergangs in einen Tropfen am Beispiel des Stoffsystems ZnSO4 - H2SO4 / Di(2ethylhexyl)-Phosphorsäure (D2EHPA) in Isododekan, welches als EFCE-Testsystem für die Reaktivextraktion vorgeschlagen wurde. Dazu wurde ein Meßsystem entwickelt, das es ermöglicht, mittels fluoreszierender Farbstoffe Konzentrationsprofile auf wäßriger und organischer Seite sichtbar zu machen. Die Durchführung solcher Experimente in ruhender und strömender kontinuierlicher Phase ermöglicht es, den diffusiven Stofftransport zu beschreiben. Zusätzliche Messungen in einem Venturirohr ermöglichen dann Aussagen über den Einfluß von Zirkulationen im Tropfeninneren. Die rechnerische Modellierung erfolgt unter Verwendung von Aktivitäten anstelle von Konzentrationen. Für die Diffusion wird der Ansatz nach Maxwell-Stefan verwendet, innere Zirkulationsströmungen werden durch das "stagnant cap"-Modell nach Slater berücksichtigt.
2.) Meßprinzip und Versuchsaufbau
Das Meßprinzip (Laserinduzierte Fluoreszenz, LIF) basiert auf der Zugabe von Flureszenfarbstoffen und der Messung der Fluoreszenzintensität mittels eines laserspektroskopischen Fluoreszenzdetektors (Modell MD 33710, Laserlabor Adlershof, Germany), bestehend aus einem gepulsten Stickstofflaser, einem Farbstofflaser, einer konfokalen Meßsonde sowie einem Photomultiplyer zur Messung der relativen Fluoreszenzintensität. Das Laserlicht gelangt über Lichtleitfasern in die konfokale Meßsonde (Abb. 1). Der Strahl wird über zwei Linsen (d) im Meßvolumen fokussiert (f). Teile des Fluoreszenzlichtes gehen den gleichen optischen Weg zurück, durchdringen aufgrund ihrer geänderten Wellenlänge den dichroitischen Spiegel (c) und werden so in einen zweiten Lichtleiter (a) fokussiert, der nach Durchlauf eines Filtersystems am Photomultiplyer endet. Bewegt man das Meßvolumen durch einen Tropfen, so ist es möglich, orts- und zeitaufgelöste Informationen über die Fluoreszenzintensität zu erhalten. Der Durchmesser des Meßvolumens wurde rechnerisch und experimentell auf ca. 100 bzw. nach Austausch der Blende (e) auf 60 µm ermittelt. Die Bewegung der Sonde erfolgt mittels eines hochauflösenden rechnergesteuerten Positionierungssystems, so daß Bewegungen von mehreren cm bis zu 5 nm möglich sind.
Als Fluoreszenzfarbstoffe kommen für die Messungen prinzipiell zwei Typen in Frage: auf der wäßrigen Seite können eine Reihe von Farbstoffen als Indikatoren eingesetzt werden. Eosin gelblich z.B. ändert seine Fluoreszenzintensität zwischen pH 3 und 1,5 von 100 auf fast 0 %. Calcein bindet einige Schwermetalle und ändert damit seine Fluoreszenzeigenschaften. Alternativ dazu kann insbesondere zur Beobachtung der organischen Phase eine der Systemkomponenten durch einen Farbstoff ersetzt werden. Eine Reihe von Untersuchungen wurden im System D2EHPA, Isododekan / HCl mit dem reaktiv extrahierbaren Farbstoff Rhodamin 6G durchgeführt.
Für die Untersuchungen wird ein mittels eines Tropfenvolumen-Tensiometers erzeugter Tropfen (Durchmesser zwischen 1,5 und 3 mm) in der kontinuierlichen Phase aufgehängt und anschließend während des Stoffübergangs mit der Fluoreszenzsonde an verschiedenen Positionen vermessen, wodurch sich ein zeitabhängiges Konzentrationsprofil ergibt. Solche Messungen wurden sowohl in ruhendem als auch in strömendem Medium durchgeführt. Da die Kanüle, an der der Tropfen fixiert ist, die innere Zirkulation der Tropfen hemmt, können so nur diffusive Effekte erfaßt werden. Um den Einfluß der Zirkulation beschreiben zu können, wurden weitere Experimente in einem Venturirohr durchgeführt.
3) Ergebnisse
Die beschriebene Meßtechnik ermöglicht die Untersuchung der Diffusion innerhalb und in der Umgebung von Tropfen bei der Reaktivextraktion. Experimente mit pH-abhängigem Farbstoff zeigten, daß die wäßrige Diffusion im möglichen EFCE-Testsystem ZnSO4 - H2SO4 / Di(2ethylhexyl)-Phosphorsäure in Isododekan vernachlässigbar ist. Experimente mit dem Farbstoff Rhodamin 6G als übergehende Komponente ermöglichen das Messen organischer Konzentrationsverläufe im Tropfen. Daraus ergab sich ein Diffusionskoeffizient von 3.71 . 10-10 m²/s für den organischen Farbstoffkomplex, was mit dem Wert nach der Korrelation von Wilke und Chang von 3.2. 10-10 m²/s vergleichbar ist. Während hier bei ruhenden Phasen wäßrige Diffusion auftritt, wird sie bei umströmten Tropfen vernachlässigbar. Aufgrund der Kanüle, an der der Tropfen aufgehängt ist, wird die innere Zirkulation behindert, so daß eine Erhöhung der Umströmungsgeschwindigkeit keine weitere Beschleunigung des Stofftransportes im Tropfen bewirkt. Vergleicht man diese Experimente mit Messungen an frei schwebenden Tropfen im Venturirohr, so zeigt sich, daß die einsetzenden Strömungseffekte den Stoffdurchgangskoeffizienten verdoppeln.
Die Basis für eine Modellierung des Stofftransportes am Tropfen in der Reaktivextraktion kann aus drei experimentellen Techniken gewonnen werden (Abb.2):
a) in Rührzellenexperimenten (z.B. in einer Rührzelle nach Nitsch) bei geringen Konzentrationen ergibt sich bei Erreichen eines sog. Plateaugebietes die Kinetik der chemischen Reaktion an der Grenzfläche. Die rechnerische Beschreibung der Reaktionskinetik erfolgt mit dem Modell nach Klocker.
b)in Fluoreszenzexperimenten (wie oben beschrieben) ergibt sich der zusätzliche Einfluß der Diffusion (je nach Stoffsystem auf wäßriger, auf organischer oder auf beiden Seiten der Grenzfläche). Die Diffusion wird mit den Maxwell-Stefan-Gleichungen modelliert.
c) in Experimenten im Venturirohr ergibt sich der zusätzliche Einfluß der Strömung der Phasen. Dieser Einfluß wird über das "stagnant-cap"-Modell nach Slater rechnerisch berücksichtigt.