CVC Leitprojekt – Nutzung von KI in der Nutzfahrzeugproduktion nimmt Fahrt auf

Erschließung von Potentialen des Maschinellen Lernens in der Nutzfahrzeugproduktion

 

Die Nutzfahrzeugproduktion zeichnet sich durch branchenspezifische Charakteristika aus, welche einen direkten Transfer von Lösungen aus verwandten Bereichen, wie z.B. dem Automobilbau, erschweren. Das markanteste Charakteristikum ist eine hohe Variantenvielfalt bei häufig kleiner Stückzahl der einzelnen Varianten. Der hieraus resultierende ansteigende Komplexitätsgrad in der Produktion führt oftmals zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit oder zu hohen Kosten.

Zur Beherrschung derartig komplexer Produktionssysteme zeigen Methoden des Maschinellen Lernens (ML), einem Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz, zunehmend ihre Anwendungsreife. Das Ziel dieser Methoden besteht darin, aus großen und heterogenen Datenmengen Schlüsse und Prognosen für zukünftige Prozesse abzuleiten. Durch die fortschreitende Digitalisierung im Rahmen von Industrie 4.0 machen zusätzlich echtzeitnahe Sensor- und Steuerungsdaten einen signifikanten Anteil der zur Verfügung stehenden Daten aus. Diese zunehmend große Menge an zur Verfügung stehenden Daten begünstigt den Einsatz von ML. Während sich in der Massenproduktion (z.B. im Automobilbau) die Daten für einzelne Varianten häufen und somit vergleichsweise große Datenmengen für lernende Modelle zur Verfügung stehen, verteilen sich die Datenmengen in der Nutzfahrzeugproduktion auf die gesamte Breite. Runtergebrochen auf die Anzahl der unterschiedlichen Varianten, bleiben hierbei weniger Datensätze pro Bauteil zur Verfügung. Durch die damit einhergehende erhöhte Heterogenität der Datenbasis, ergeben sich neue Herausforderungen für die Anwendbarkeit von ML, welches in der Regel größere homogene Datenmengen zur Ableitung aussagekräftiger Modelle benötigt. Während in der Massenproduktion hochspezialisierte und durch die große Datenbasis sehr genaue Modelle entstehen, erfordert die Variantenvielfalt der Nutzfahrzeugindustrie die Entwicklung von Modellen mit einem höheren Grad an Generalisierbarkeit, welche leichter auf andere Anwendungen transferierbar sind. Hinzu kommt ein weiterhin hoher Anteil nicht-digitalisierter manueller Tätigkeiten, welcher die Menge an verfügbaren Daten pro Variante zusätzlich verringert.

Ziel des Leitprojektes ist es, die Potentiale, Hemmnisse und Herausforderungen bei der Umsetzung von Lösungen des Maschinellen Lernens unter Einbeziehung der spezifischen Charakteristika in der Nutzfahrzeugproduktion zu bestimmen und darauf aufbauend einen Handlungsleitfaden für produzierende Unternehmen zu erstellen. Dabei werden die Methoden des ML hinsichtlich ihrer Fähigkeit zum Umgang mit heterogenen Daten untersucht, sowie Verfahren zur Homogenisierung bzw. künstlichen Anreicherung der Datenbasis (Data Augmentation).

Im Leitprojekt wurden zur Erreichung dieser Zielstellung drei charakteristische Anwendungsfälle identifiziert, welche jeweils weitere Forschungsfragen aus dem Bereich des ML aufwerfen.

Eines der Anwendungsprobleme betrifft die optische Erkennung von Fehlteilen, die Herausforderung besteht hierbei in der geringen Datenbasis pro Variante. Um dieser entgegen zu wirken, werden Methoden der Datenaugmentierung mittels heuristischer Verfahren untersucht. Eine weitere Anwendung ist die optische Qualitätskontrolle von Schweißpunkten, welche durch die hohe Variantenzahl erschwert wird. Klassische merkmalsbasierte Methoden erwarten hierbei eine variantenspezifische Anpassung, die mit einem sehr hohen manuellen Aufwand einhergehen. Die Nutzung des Neural Radiance Felds (NeRF) bietet hierbei eine Möglichkeit mittels ML beliebe zusätzliche Perspektiven zu generieren, um so die notwendige Datenbasis zur Unterscheidung der Varianten zu ermöglichen.

Aktuell liegt der Fokus der Forschung bei den Potentialen des Neural Radiance Fields (NeRF) für die Generierung von virtuellen Modellen im Vergleich zu den Ansätzen aus der Photogrammmetrie, welche aus einer Reihe von Aufnahmen eine Punktwolke extrahiert. Dabei lernt ein neuronales Netz aus einer Reihe von Bildern eine 3-dimensionale Szene, inklusive Tiefeninformation, zu rekonstruieren. Der universelle Einsatz dieser Technologie, verbunden mit der vereinfachten Datenaufbereitung bietet ein großes Potential für die bildgestützte Qualitätskontrolle. Von besonderem Interesse ist dies vor allem für die variantenreiche Produktion zur Erhöhung und Homogenisierung der Datenbasis.

Neben diesen Forschungsfragen adressiert das Projekt zudem die Einführung von Methoden des Maschinellen Lernens im betrieblichen Alltag. Ein stetig besser werdender Zugang zu Rechenleistung und benutzerfreundlicher Software eröffnet hierbei neue und breitere Anwendungsfelder für die Technologien des ML. Zudem ist der Nutzfahrzeugsektor stark von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt, für die die eigenständige Befähigung ohne konkrete Handlungsanleitungen oft ein hohes Risiko darstellt. Hier greift das geförderte Projekt durch einen engen Austausch mit assoziierten Partnern aus der Branche direkt an und entwickelt praxisnahe Handlungsanleitungen.


Kontakt
M.Sc. Patrick Rüdiger
E-Mail: patrick.ruediger(at)mv.uni-kl.de
Telefon: 0631 205 – 4282