SFB 926: Morphologie auf der Mikroskala

Teilprojekt B04: Verformung und Bruch oberflächenstrukturierter Proben

Im Zuge der Oberflächenbearbeitung von Bauteilen durch unterschiedliche Prozesse kann sowohl die Topografie als auch die oberflächennahe Mikrostruktur in einem Maße geändert werden, dass daraus ein Einfluss auf die Langzeitfestigkeit des Bauteils resultiert. In den ersten beiden Förderperioden des SFB 926 wurde dazu im Teilprojekt B04 der Einfluss von Mikrokerben, Planfräsen und Partikelstrukturierung auf die Langzeitfestigkeit von Miniaturproben aus Reintitan (commercially pure (cp) Titan) unterschiedlicher mittlerer Korngrößen untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass nur Oberflächenstrukturen, deren Abmessungen im Bereich der mittleren Korngröße des Werkstoffes oder darüber liegen, zu einer Reduktion der Langzeitfestigkeit führen [1,2]. Um die Korngröße und die Kornorientierung einfach und schnell bestimmen zu können, wurde dazu in der zweiten Förderperiode eine Methode entwickelt, die sich die optische Anisotropie des cp-Titans zunutze macht und mittels polarisierter Lichtmikroskopie und einer nachgeschalteten MATLAB-Prozedur Rückschlüsse auf die kristallographische Orientierung zulässt (Abb.1) [3]. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass mit Kenntnis der Kornstruktur und der Oberflächenmorphologie eine Vorhersage des Rissinitiierungsortes bei zyklischer Beanspruchung möglich wird.
In der aktuellen dritten Förderperiode des SFB 926 liegt der Fokus im Teilprojekt B04 darauf, die Reduktion der Langzeitfestigkeit aufgrund der Oberflächenstrukturierung von Proben zu vermeiden. Dazu werden zwei thermomechanische Vorbehandlungen untersucht. Mit einer thermomechanischen Vorbehandlung im Temperaturbereich der dynamischen Reckalterung sollen Versetzungsstrukturen an vorhandenen Kerben stabilisiert und so die Langzeitfestigkeit gesteigert werden. Mit anderen Worten, bei mittleren Temperaturen diffundieren die gelösten Atome dynamisch und lagern sich um die wandernden Versetzungen herum an, was den Widerstand gegen die weitere Bewegung der Versetzungen erhöht (Abb. 2). Andererseits werden durch eine thermomechanische Vorbehandlung bei niedrigen Temperaturen Verformungszwillinge in den Werkstoff eingebracht (Abb. 3). Die Zwillingsgrenzen stellen Hindernisse für Versetzungen dar, ähnlich dem Hall-Petch-Effekt, und sollen dadurch zu einer Erhöhung der Langzeitfestigkeit beitragen. Anschließend werden unstrukturierte und strukturierte Proben, die jeweils eine der beiden thermomechanischen Vorbehandlungen durchlaufen haben, in Ermüdungsversuchen untersucht. So kann bestimmt werden, ob die Langzeitfestigkeit durch eine oder beide thermomechanischen Vorbehandlungen verbessert werden kann.

Literatur:

[1] E. Kerscher: Influence of Microstructure and Micro Notches on the Fatigue Limit, Pro. Eng. 74 (2014), pp.210-217, doi.org/10.1016/j.proeng.2014.06.251

[2] C. Godard, E. Kerscher: Characterization of the Fracture Morphology of Commercially Pure (cp)-Titanium Micro Specimens Tested by Tension-Compression Fatigue Tests, Proc. Mat. Sc. 3 (2014), pp. 440-446, doi.org/10.1016/j.mspro.2014.06.074

[3] L. Böhme, L. Morales-Rivas, S. Diederichs, E. Kerscher: Crystal c-axis mapping of hcp metals by conventional reflected polarized light microscopy: Application to untextured and textured cp-Titanium, Mater. Charact. 145 (2018) 573-581, doi.org/10.1016/j.matchar.2018.09.024


Ansprechpartnerin:

Nafiseh Ghavidel

M. Sc. Stella Diederichs