Torsionsschwingungen in Antriebs-Systemen

Drehschwingungs-Phänomene spielen in vielen Bereichen der Antriebstechnik eine wichtige Rolle. Im Bereich der Kraftfahrzeugtechnik werden diese besonders durch die aus dem Viertakt-Zyklus bedingte Drehungleichförmigkeit der Kurbelwelle von Verbrennungsmotoren hervorgerufen, die die nachgeschaltete Drehschwingerkette zu Torsionsschwingungen anregt. Da durch die Parallelisierung von Entwicklungsprozessen Prototypen immer später zur Verfügung stehen, besteht der Wunsch, die durch Verbrennungsmotoren hervorgerufenen Drehungleichförmigkeiten am Prüfstand nachzuahmen, um Antriebselemente bereits im Vorfeld gezielt auf ihr dynamisches Verhalten hin untersuchen zu können. Genauso wichtig ist in diesem Zusammenhang die Gewinnung von Kennwerten (z.B. Dämpfungsgrößen) für die rechnerische Auslegung, z.B. mit Hilfe der Dynamiksimulation.

Experimentelle Untersuchungen:

Mit dem am Lehrstuhl vorhandenen Antriebselemente-Prüfstand können Antriebselemente unter dem speziellen Einfluss von Torsionsschwingungen auf ihr frequenzabhängiges Übertragungsverhalten hin untersucht werden. Der Prüfling wird dabei von einem 220 kW-Antriebsmotor angetrieben, abtriebsseitig wird mit Hilfe einer Bremsmaschine ein stationäres bzw. dynamisches Bremsmoment aufgebracht. Der Drehbewegung der Antriebsmaschine kann eine Drehungleichförmigkeit mit Anregungsfrequenzen >300 Hz überlagert werden. Im Gegensatz zu statischen Steifigkeits-Messungen können somit Untersuchungen unter realistischen Momenten- und Drehzahlbelastungen durchgeführt werden. Die vorhandene hochauflösende Drehwinkel- und Drehmoment-Messtechnik ermöglicht die Ermittlung des dynamischen Übertragungsverhaltens des Antriebselements, ebenso wie die Messung der dynamischen Steifigkeit, von Dämpfungsgrößen oder des Akustikverhaltens (z.B. Getrieberasseln).

Mögliche Untersuchungsobjekte:

  • Riementriebe, Kettentriebe, Steuertriebe
  • Drehsteife Kupplungen, drehweiche Kupplungen, Freiläufe
  • Torsionsschwingungsdämpfer, Zweimassen-Schwungräder
  • Nebenaggregate unter Torsionsschwingungsbelastung
  • Zahnradgetriebe, Hinterachsgetriebe
  • CVT-Getriebe, hydrodynamische Wandler
  • Tilger

 

Beispiele für bislang durchgeführte Untersuchungen:

  • Ermittlung der dynamischen Steifigkeit eines Kurbelwellen-Tilgers (bei 90°C und 6000 1/min)
  • Ermittlung des drehzahlabhängigen Übertragungsverhaltens eines Zweimassen-Schwungrads (ZMS) (siehe Bild)
  • Ermittlung des dynamischen Verhaltens eines hydraulischen Torsionsdämpfers bei 90°C unter stoßartiger Momentenbelastung (>400 Nm)
  • Lebensdaueruntersuchung einer torsionsschwingungsbelasteten Welle-Nabe-Verbindung eines PKW-Nebenaggregats
  • Ermittlung der dynamischen Steifigkeit eines Torsionsschwingungsdämpfers
  • Ermittlung des lastabhängigen Übertragungsverhaltens von Kettentrieben unter Drehschwingungsanregung
  • Untersuchung des dynamischen Verhaltens eines Steuertriebs
  • Untersuchung des dynamischen Verhaltens einer Sicherheitskupplung

 

Dynamiksimulation:

Mit der Simulationssoftware ITI-Sim verfügt der Lehrstuhl über ein leistungsfähiges Berechnungstool, mit dem speziell Drehschwingungsprobleme in Antriebs-Systemen theoretisch untersucht und analysiert werden können.

Zur Untersuchung weitergehender Schwingungsprobleme stehen mit ADAMS und RecurDyn zwei leistungsfähige Mehrkörpersimulationsprogramme zur Verfügung. Mit ihnen ist die Berechnung auch räumlicher Mechanismen möglich ebenso wie die Berücksichtigung geometrischer und physikalischer Nichtlinearitäten oder die Analyse von Systemen mit flexiblen Körpern.

Literatur:

  • Nicola, A.; Rosenberger, J.; Nemeth, G.; Sauer, B.: Verbrennungsmotoren hochdynamisch simuliert. Antriebselemente-Prüfstand zur Analyse von Drehschwingungsphänomenen, Zeitschrift „Antriebstechnik“, Heft 11/2004, Vereinigte Fachverlage Mainz.
  • Nicola, A.; Sauer, B.: Experimentelle Untersuchung des Dynamikverhaltens torsionselastischer Antriebselemente, Zeitschrift „Automobiltechnische Zeitschrift (ATZ)“, Heft 02/2006.